„Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.“ Welches Unternehmen schmückt sich nicht gerne mit solch einem Satz? Und drückt damit aus, dass das Individuum zählt, dass der einzelne Mitarbeiter in seiner Einzigartigkeit wertgeschätzt wird? Nächste Frage: Wie viele Führungskräfte drücken ihre Wertschätzung tatsächlich so aus, dass Mitarbeiter gesehen und gestärkt werden?
Aktuelle Studien legen nahe, dass Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter wertschätzend behandeln, einen sehr gewichtigen Beitrag dazu leisten, dass die Angestellten gesund, motiviert und leistungsfähig bleiben. Umgekehrt steigt beispielsweise die Krankheitsrate unter Mitarbeitern, denen keine Wertschätzung entgegengebracht wird. Um den Krankenstand zu erhöhen, muss es also noch nicht einmal ständig Kritik hageln. Es reicht, dass die Wertschätzung ausbleibt.
Wenn schon neurobiologische Forschungsergebnisse solch ein klares Bild zeichnen, warum stehen Wertschätzung, Dankbarkeit und Erkenntlichkeit als Führungsinstrumente dann nicht schon höher im Kurs? Ich denke: Es ist Angst. Angst der Führungskräfte davor, „zu starke“ Mitarbeiter zu erziehen, die irgendwann übermütig werden und am eigenen Stuhl sägen. Schließlich ist es schwerer, starke Menschen auf Spur zu halten und am Ausscheren zu hindern.
Ich bin, nach allem was ich gelesen, studiert und in der Praxis erlebt habe, davon überzeugt, dass das nicht passiert. Dass wertgeschätzte Mitarbeiter der Führungskraft ihre Position nicht streitig machen, sondern mehr leisten, lieber arbeiten und seltener ausfallen. Schauen wir uns gemeinsam an, auf welchen Ebenen Wertschätzung wirkt.
Wert, Kraft, Stärke
Zum einen sagt Wertschätzung ganz deutlich: Du hast (für mich) einen großen Wert. Wer hört nicht gerne, dass seine Person und Anwesenheit etwas bewirken? Wer weiß, dass sein Tun einen entscheidenden Unterschied macht, der schöpft sein Potenzial gerne weiter aus und vergrößert es nach Möglichkeit sogar. Wer nicht weiß, dass seine Mitarbeit zählt, hat keine extrinsische Motivation, mehr zu leisten. Wenn ihm seine Arbeit nicht zufällig den größten Spaß bereitet und er von Natur aus mit einem großen Selbstwert gesegnet ist, der hat das Gefühl, an dieser Stelle sein Potenzial zu verschwenden.
Zum anderen gibt Wertschätzung Kraft. Wer kraftlos ist, saugt Kraft aus anderen. Es ist ein Automatismus, dass Mitarbeiter, die eine oder mehrere Stufen tiefer als ihre Führungskraft stehen, sich in deren Angesicht kleiner, vielleicht sogar kraftloser fühlen. Autorität anderer nährt das Gefühl der eigenen Bedeutungslosigkeit. Führungskräfte, die sich dieses Naturgesetzes nicht bewusst sind, schlürfen auf doppelte Weise Energie aus ihren Mitarbeitern, wenn sie sie ständig kritisieren und respektlos behandeln. Eine wertschätzende Führung will Kraft weitergeben. Und bekommt dafür ebenfalls Kraft von einem starken Team zurück.
Zum dritten erweitert Wertschätzung die Stärke bzw. genauer gesagt die Stärken. Wer sich stark fühlt, ist bereit, mehr zu leisten, und traut sich, größer zu denken als der, der sich schwach fühlt. Ersterer weiß um seine Stärken, er weiß, dass sie geschätzt werden, und setzt sie deshalb gerne ein. Wer sich wertgeschätzt und stark fühlt, ist mutiger und lässt sich von Rückschlägen nicht gleich in die Knie zwingen. Wer einen gesunden Selbstwert hat und sich stark fühlt, der nimmt Wertschätzung und Komplimente an, ohne überheblich zu werden.
Wie funktioniert das in der Praxis?
Wie können Sie also Ihren Mitarbeitern helfen, zu erkennen, dass ihre Persönlichkeit, ihre Fähigkeiten und ihre Leistung wertgeschätzt werden? Als Erstes gilt: Seien Sie ehrlich. Geheuchelte Wertschätzung ist vielleicht noch schlimmer als gar keine Wertschätzung. Nehmen Sie ehrlich und aufrichtig Anteil am Leben Ihrer Mitarbeiter. Das kann die Frage nach der Silberhochzeitsfeier der Eltern sein, die ein Mitarbeiter am Wochenende ausgerichtet hat. Oder nach dem jüngsten Meisterschaftsergebnis der Lieblingssportmannschaft. Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse sind ein Geschenk.
Drücken Sie Ihre Wertschätzung verbal und auch ganz manifest aus. Loben Sie konkret und anlassbezogen. Teilen Sie mit, dass Sie wahrnehmen, dass Ihre Mitarbeiterin gestern bis spät abends noch Förderanträge ausgefüllt hat. Kommunizieren Sie, dass Sie die Art, wie Ihr Mitarbeiter am Telefon mit Beschwerden der Kunden umgeht, vorbildlich finden.
Packen Sie mit an. Seien Sie hilfsbereit. Seien Sie sich nicht zu fein, auch einmal Kartons zu schleppen oder Schreibtische zu verrücken, wenn das Büro umgeräumt wird.
Ihre Wertschätzung können Sie auf vielfältige Weise ausdrücken. Genauso vielfältig ist der Nutzen für Sie, für Ihr Team und für das gesamte Unternehmen, wenn Sie als Führungskraft Ihre Achtung und Ihren Respekt äußern.
Haben Sie das schon konkret und bewusst ausprobiert? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht, als Sie Ihre Wertschätzung explizit ausgedrückt haben? Was hat das mit Ihren Mitarbeitern – und mit Ihnen gemacht? Welche Nachhaltigkeit haben Sie erlebt?
Benötigen Sie weiter Inspiration zu diesem Thema? Dann kontaktieren Sie mich telefonisch, per Mail oder über den Kontaktbutton unten.
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